Eine andere Sichtweise des «Alltäglichen»

Christina Blatter verstand es auf künstlerisch hohem Niveau das von ihr Gesehene in den verschiedensten Techniken in Bildern und Zeichnungen festzuhalten und das Geschehen für die Betrachterinnen und Betrachter lesbar zu machen. Sie war in ihrer Arbeit stets auf der Suche nach Harmonie in Form und Farbe und so konnte Schönheit als Sinn und Ausdruck ihrer Kunst verstanden und erlebt werden. Sie verstand ihre akribische Arbeit als Kommunikation mit den die Werke betrachtenden Menschen ‒ als Dialog, Konfrontation und eine andere Sichtweise des «Alltäglichen». So war für sie ihre Tätigkeit während 30 Jahren als Zeichenlehrerin an der Kantonsschule Enge in Zürich und während 13 Jahren Maturitätsprüfungsexpertin im Kanton Aargau nicht einfach ein Beruf, sondern eine Berufung. Christina Blatter war aber auch die Ansprechpartnerin für «Ungeübte», die lernen wollten, sich bildnerisch auszudrücken.

In der Schaffung ihrer Werke strebte sie immer eine hohe Perfektion an, ohne sich in Kleinigkeiten zu verlieren und liess als einfühlsame Beobachterin einem teilhaben an ihrer Welt. Es ist eine Reise von Amsterdam nach Prag, ein Verweilen in ihren Baum- und Blumenbilder und eine Entdeckungsreise in den Bildern der Gruppe Varia. So kann man ihr Schaffen nicht auf eine künstlerische Formlinie eingrenzen, denn mit ihrem offenen Geist und Augen liess sie sich immer wieder auf andere Themen ein, ohne sich selbst zu verlieren.

Einen bedeutenden Platz in ihrem Schaffen nahm aber die Stadt Bremgarten ein, in der sie während rund 40 Jahre lebte und arbeitete. Sie war eng verbunden mit dem Leben der Stadt Bremgarten und der darin stattfindenden Kunstszene und den Ausstellungsorten wie Galerie Hirt, Kornhausgalerie und Klösterli der St. Josef Stiftung. In ihren Bildern liess die Künstlerin in Vergessenheit geratene Details aufleben und bekannte Ansichten der Stadt neu entdecken – es ist wie eine Stadtführung der anderen Art.

Richard Wurz, 8. Februar 2022